Präe­klampsie-Diagnostik

Die Präeklampsie (PE) ist eine schwere Komplikation der Spätschwangerschaft, die mit einer hohen mütterlichen und kindlichen Morbidität und Mortalität einhergeht. In der Schweiz sind etwa 2-3% aller Schwangeren betroffen.

Eine frühe Einschätzung des Risikos einer sich im späteren Schwangerschaftsverlauf entwickelnden PE sowie eine frühzeitige Erkennung und Verlaufseinschätzung einer bereits bestehenden PE sind zentrale Faktoren für eine optimale Betreuung und Therapie.

Folgende 2 Biomarker, welche im mütterlichen Serum gemessen werden können, spielen dabei eine wichtige Rolle:

  • PlGF (placental growth factor) fördert das Gefässwachstum in der Plazenta und ist bei Schwangeren, die im späteren Verlauf eine PE entwickeln werden, erniedrigt.
  • sFlt-1 (soluble Fms-like tyrosine kinase-1) hemmt das Gefässwachstum der Plazenta und ist bei einer sich entwickelnden Präeklampsie im mütterlichen Serum erhöht.

Präeklampsie-Screening im 1. Trimester mit Hilfe von PlGF

Bereits im 1. Trimester kann mit Hilfe eines von der Fetal Medicine Foundation (FMF) London entwickelten Algorithmus das Risiko einer sich im späteren Schwangerschaftsverlauf entwickelnden PE abgeschätzt werden. Diese Risikoberechnung basiert auf anamnestischen Risikofaktoren, Blutdruckmessungen, dem mittleren Pulsatilitätsindex in der uterinen Arterie und dem eingangs erwähnten Biomarker PlGF aus mütterlichem Serum. Mit der FMF-Risikoberechnung liegt die Vorhersagekraft einer PE vor der 32. SSW bei 90% und vor der 37. SSW bei 75% (screen-positiv rate: 10%)1. Damit erweist sich der FMF-Algorithmus in der Risikoevaluation als deutlich zuverlässiger als die traditionelle Risikoeinschätzung gemäss NICE und ACOG 1.

Indikation

Die Risikoevaluation mittels des FMF-Algorithmus soll gemäss Expertenbrief vom Juni 2023 der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG) allen Schwangeren angeboten werden 2.

Prävention

Bei Patientinnen mit einem erhöhten PE-Risiko >1:100 empfiehlt die SGGG die Gabe von niedrig dosiertem Aspirin (100-150 mg/Tag) mit Beginn vor der 16. Schwangerschaftswoche 2. Dank dieser Aspirin-Prophylaxe können bei den Risikopatientinnen rund 2 von 3 PE-Fälle verhindert werden 2, 3.

Umsetzung in die Praxis

Das PE-Screening wird im Zeitfenster von SSW 11+0 bis 14+0 durchgeführt und kann auf Wunsch in den Ersttrimester-Test eingebunden werden. Für die Risikoberechnung benötigen wir zusätzliche anamnestische Angaben, welche Sie auf der Rückseite des «Ersttrimester-Test / Präeklampsie-Auftragsformulars» eintragen können.

Im Labor erfolgt die Messung von PlGF, PAPP-A und freiem beta-HCG aus derselben Serumprobe. Falls das Serum nicht am Entnahmetag im Labor eintrifft, muss es eingefroren werden. Das PE-Risiko wird mittels FMF-Algorithmus, welcher in die FastScreen-Software (FMF-Deutschland, Thermo ScientificTM BRAHMSTM) integriert ist, berechnet.

Um die Qualität der Risikovorhersage zu gewährleisten, empfiehlt die SGGG eine standardisierte Durchführung der Blutdruckmessung sowie der Dopplersonografie der uterinen Arterie 2. Zum Erwerb dieser Kompetenzen bieten die SGUMGG und die FMF London Kurse an. Die Angaben zur Dopplersonographie der uterinen Arterie ist optional, verbessert aber die Zuverlässigkeit der Risikoberechnung um 3-12% 1.

Frühzeitige Präeklampsie-Diagnostik mit Hilfe der sFlt-1/PlGF-Ratio

Bei einer PE kommt es zu einem Anstieg der sFlt-1/PlGF-Ratio, noch bevor sich das klinische Vollbild einer PE entwickelt hat. Entsprechend kann die Messung der sFlt-1/PlGF-Ratio wesentlich zu einer frühzeitigen Diagnosestellung einer sich entwickelnden PE, respektive zu deren Ausschluss, beitragen.

Zudem besteht bei einer etablierten PE eine Korrelation zwischen der Höhe der sFlt-1/PlGF-Ratio und dem Schweregrad sowie dem Verlauf der PE.

Interpretation

Frühe Gestationsphase (vor der 34. SSW)
«early onset»-Präeklampsie
sFlt-1/PlGF-Ratio <38 Die Mutter wird mit grosser Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten 1-2 Wochen keine PE entwickeln (negativ prädiktiver Wert: 99.3%) 4, 5.
sFlt-1/PlGF-Ratio 38 – 85 Die Mutter hat ein erhöhtes Risiko in den nächsten 4 Wochen eine PE zu entwickeln 4, 5.
sFlt-1/PlGF-Ratio >85 Die Mutter hat höchstwahrscheinlich eine PE 4, 5.
Späte Gestationsphase (ab der 34. SSW)
«late onset»-Präeklampsie
sFlt-1/PlGF-Ratio <38 Die Mutter wird mit grosser Wahrscheinlichkeit innerhalb der nächsten 1-2 Wochen keine PE entwickeln (negativ prädiktiver Wert 99.3%) 4, 5.
sFlt-1/PlGF-Ratio 38 – 110 Die Mutter hat ein erhöhtes Risiko in den nächsten 4 Wochen eine PE zu entwickeln 4, 5.
sFlt-1/PlGF-Ratio >110 Die Mutter hat höchstwahrscheinlich eine PE 4, 5.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Diagnose einer PE nicht allein aufgrund einer erhöhten sFlt/PlGF-Ratio gestellt werden kann.

Indikationen

Die SGGG empfiehlt die Bestimmung der sFlt-1/PlGF-Ratio in folgenden Situationen 4:

  • Patientinnen mit Verdacht auf eine PE aufgrund neu aufgetretener, unsicherer Zeichen und Symptomen einer PE nach der 20. SSW, welche die diagnostischen Kriterien einer PE nicht erfüllen.
  • Patientinnen mit erhöhtem Risiko für eine PE gemäss PE-Risikoevaluation im 1. Trimester und zusätzlich klinischen Symptomen im 2./3. Trimester.

Die Kosten für die Bestimmung der sFlt/PlGF-Ratio werden gemäss eidgenössischer Analysenliste durch die obligatorische Krankenpflegeversicherung übernommen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Schwangerschaft ab der 20. SSW
  • Verdacht auf Präeklampsie und bei manifester Präeklampsie zur Verlaufskontrolle
  • Nicht zum Screening asymptomatischer Schwangerer
  • Verordnung der Analyse durch Fachärzt:innen mit dem eidgenössischen Weiterbildungstitel «Gynäkologie und Geburtshilfe»