Die Zöliakie ist eine immunvermittelte, durch Gluten induzierte Erkrankung, welche hauptsächlich den Darm befällt und mit einer Prävalenz von 0,6 -1 % in der europäischen Bevölkerung relativ häufig vorkommt. Die Zöliakie tritt fast ausschliesslich bei Personen mit bestimmten HLA-Eigenschaften (DQ2/DQ8) auf, welche bei 30 – 40 % der Bevölkerung vorliegen. Für die Entwicklung einer Zöliakie sind daher zusätzliche Trigger notwendig. Dazu gehören eine frühe oder massive Exposition gegenüber Gluten, eine Darminfektion oder bestimmte Medikamente.
Bei der Zöliakie werden Autoantikörper gegen Gewebstransglutaminase, dem Hauptantigen des Endomysiums, gebildet, was zu einer Entzündung der Darmschleimhaut führt. Die Erkrankung kann mit intestinalen und extraintestinalen Symptomen klinisch vielfältig sein und sich in jedem Alter manifestieren. Oft äussert sich eine Zöliakie oligosymptomatisch.
Die zunehmende Prävalenz der Zöliakie geht auch mit einer verbesserten Diagnostik und einer erhöhten Sensibilisierung von Ärzten und Patienten einher.
Mit den neunen ESPGHAN-Leitlinien 2020 für Kinder ist nun die Diagnose der Zöliakie im Gegensatz zu den Erwachsenen auch ohne Biopsie möglich. Ist die tissue Transglutaminase-IgA (tTG-IgA) auf mehr als das Zehnfache des oberen Referenzwertes erhöht, benötigt es nur noch eine zweite Blutentnahme mit Bestimmung von Endomysium-IgA (EmA-IgA) als Bestätigung. Gleich wie bei den Erwachsenen gemäss ACG Clinical Guidelines von 2013, ist nun auch gemäss den neuen Leitlinien die tTG-IgA zusammen mit dem IgA die beste Screening Methode für Kinder. Entsprechend haben wir die Antikörper gegen deaminierte Gliadine aus unserem Zöliakie-Profil entfernt. Diese können jedoch, insbesondere bei Vorhandensein eines IgA-Mangels, weiterhin separat angefordert werden.
Die Diagnostik der Zöliakie basiert auf einer Kombination aus:
- Klinik und (Familien-)Anamnese
- Nachweis spezifischer Antikörper
- Nachweis der HLA-Prädisposition
- Endoskopische Biopsie mit histologischem Nachweis einer Enteropathie (Marsh 2-3)
Empfehlung für alle Altersklassen:
- Bei Verdacht auf eine Zöliakie ist die Bestimmung von Gesamt-IgA und tTG-IgA anderen Verfahren überlegen.
- Bei einem IgA-Mangel ist die Bestimmung von IgG-Antikörpern gegen deamidierte Gliadine (dGP-IgG), tTG-IgG oder EmA-IgG sinnvoll.
- Der Nachweis von DQ2 und DQ8 dient vor allem zum Ausschluss der Diagnose.
Spezielle Empfehlungen für Kinder gemäss ESPGHAN-Leitlinie 2020:
- Sind die tTG-IgA auf mehr als das Zehnfache des oberen Referenzwertes erhöht, wird die Bestätigung der Diagnose durch die Bestimmung von Endomysium-IgA (EmA-IgA) aus einem neuen Serum empfohlen. Sind EmA-IgA ebenfalls positiv, gilt eine Zöliakie als bestätigt.
- Wenn die tTG-IgA positiv sind, der Titer jedoch unterhalb des Zehnfachen des oberen Referenzwertes liegt, wird eine Biopsie empfohlen.
Übersicht Zölliakie Diagnostik
Analyse | Bedeutung |
---|---|
IgA-Antikörper gegen tissue Transglutaminase (tTG-IgA). | Diagnostischer Suchtest mit hoher Sensitivität. |
IgA-Antikörper gegen Endomysium (EmA-IgA) | Bestätigungstest bei Kindern, hohe Spezifität bei guter Sensitivität. |
HLA-Diagnostik | Ausschlussdiagnostik: Der fehlende Nachweis einer genetischen Prädisposition schliesst eine Zöliakie mit hoher Wahrscheinlichkeit aus*.
Genetische Marker sind unabhängig von Ernährungs-/Entzündungszustand bzw. IgA-Mangel. |
IgG-Antikörper gegen deamidierte Gliadine (dGP-IgG), IgG-Antikörper gegen tissue Transglutaminase (tTG-IgG), IgG-Antikörper gegen Endomysium (EmA-IgG) | Bei Patienten mit selektivem IgA-Mangel; geringere Spezifität als tTG-IgA und EmA-IgA. |
IgA | Da ein IgA-Mangel bei Zöliakie häufig vorkommt und dies zu falsch negativen IgA-Antikörpertests führen kann, ist die Bestimmung von IgA gesamt unumgänglich. |
* Eine typische Klinik mit positiven Antikörpern, jedoch negativer genetischer Disposition ist auch mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung vereinbar.
Bitte beachten
Vor der Untersuchung auf Zöliakie-spezifische Antikörper darf keine Diät mit Verzicht auf glutenhaltige Nahrungsmittel erfolgen, da dies zu falsch negativen Resultaten führen kann.
Auskunft
Dr. med. Marc Mosimann
Dr. phil. nat. Bernhard Mani
Dr. med. Noushin Shayanfar
Dr. sc. nat. Andrea Jaeger
Dr. sc. ETH Ramona Graf
Valérie Lutz, MSc
Literatur
- ESPGHAN guidelines for diagnosing coeliac disease 2020
- Swiss Med Forum. 2020;20(1112):184-190
- ACG Clinical Guidelines: Diagnosis and Management of Celiac Disease 2013